Strom- und Gasvertriebe in Deutschland stehen unter massivem Veränderungsdruck. Steigende Energiepreise, zunehmende Marktvolatilität und wachsende regulatorische Anforderungen stellen die Energieversorger vor große Herausforderungen. Die Kundenbindung sinkt, der Preiswettbewerb nimmt zu, und gleichzeitig erfordern wachsende Transparenzpflichten seitens Gesetzgeber eine immer detailliertere Abbildung von Erträgen und Aufwendungen. Wer unter diesen Bedingungen wirtschaftlich steuern will, braucht eine Vertriebsplanung und ein Controlling, das Transparenz schafft, Kosten und Margen differenziert sichtbar macht und eine flexible, datenbasierte Steuerung ermöglicht.
Komplexe Datenwelt: Warum viele EVU zögern
Dafür müssen Daten aus unterschiedlichsten Systemen wie Abrechnungs- und CRM-Systemen aber auch Vertriebsportalen oder Einkaufssystemen zusammengeführt, harmonisiert und mit individuellen Schlüsseln und Berechnungslogiken verarbeitet werden. Besonders anspruchsvoll ist die Abbildung eines einheitlichen Deckungsbeitragsmodells, das sowohl Standardtarife für Haushaltskunden als auch komplexe Sonderverträge für Geschäftskunden berücksichtigt.
Trotz des erkennbaren Nutzens zögern gerade kleinere und mittlere Stadtwerke oft, eine integrierte Vertriebsplanung und -steuerung aufzubauen, die auf einer einheitlichen Deckungsbeitragsrechnung basiert. Der Grund liegt meist im hohen manuellen Aufwand. In vielen Fällen fehlt eine durchgängig verlässliche Datenbasis, auf der sich fundierte Planungsmodelle einfach aufsetzen lassen. Unterschiedliche Abrechnungslogiken, zum Beispiel bei dezentralen Erzeugern, KWK Vermarktung oder bei Spot- und Tranchenkunden, erschweren die Vereinheitlichung zusätzlich. Auch Abrechnungsfehler, unklare Simulationsergebnisse oder unvollständige Preis- und Mengendaten auf Einzelkundenebene führen dazu, dass der Aufwand für eine verlässliche Analyse schnell aus dem Ruder läuft.
Bevor geplant wird, muss die Basis stimmen
Eine moderne Planungslösung muss genau hier ansetzen. Der erste und entscheidende Schritt ist eine saubere, vollständige und belastbare Datenbasis – und zwar für den gesamten Kundenbestand. Ohne diese Grundlage lassen sich keine realistischen Planungen aufbauen. Erst darauf aufbauend können im zweiten Schritt flexible Planungslayouts und Funktionen bereitgestellt werden, die nachvollziehbare und aussagekräftige Ergebnisse liefern – sei es für eigene Vertriebsaktivitäten wie Kampagnen, neue Produkte und Preisanpassungen oder für externe Einflussfaktoren wie volatile Beschaffungspreise, steigende Kündigungsquoten und gesetzliche Umlagen.
Dazu braucht es ein System, das nicht nur Daten zusammenführt, sondern diese auch automatisch validiert, plausibilisiert und wo nötig korrigiert. Nur so entsteht ein aktuelles, konsistentes Abbild des Kundenportfolios, auf dem man aufbauen kann. Und das sollte kein einmaliger Kraftakt sein, sondern ein regelmäßiger, möglichst automatisierter Prozess. Denn Ziel ist es, nicht nur einmal jährlich eine Planung aufzustellen, sondern monatlich rollierend belastbare Prognosen und mehrmals im Jahr aktualisierte Wirtschaftspläne für die Folgejahre zu erzeugen.
Wie sieht das in der Praxis aus?
Ein Unternehmen, das diesen Weg bereits erfolgreich gegangen ist, ist die badenova Energie GmbH. Seit über einem Jahrzehnt begleitet ein Experte der NextLytics die Weiterentwicklung ihrer Vertriebsplanung auf SAP-Basis. Welche Erfahrungen dabei gesammelt wurden, was aktuell besonders herausfordert und welche Themen für die nächsten Jahre im Fokus stehen, darüber haben wir mit Christian Kranz, einem langjährigen Ansprechpartner aus dem Vertriebscontrolling der badenova, gesprochen.
- Christian, wenn du auf die letzten Jahre zurückblickst: Wie hat sich die Vertriebsplanung bei badenova verändert? Welche neuen Herausforderungen sind dabei entstanden – und welche Weiterentwicklungen in eurer Planungslösung waren für dich besonders wichtig, um auf diese Veränderungen zu reagieren?
Antwort: Vor allem mit der Energiekrise haben sich die Anforderungen an unsere Vertriebsplanung in den letzten drei bis vier Jahren grundlegend gewandelt. Traditionelle Planungszyklen, die nur zweimal jährlich und in relativ aufwändigen Prozessen durchgeführt wurden, können der heutigen Marktvolatilität nicht mehr gerecht werden. Heute ist eine deutlich agilere und flexiblere Planung gefragt.
Eine der größten Herausforderungen besteht darin, die zunehmende Komplexität des Energiemarktes zu meistern und gleichzeitig unsere Planungsprozesse schneller und effizienter zu gestalten. Dabei haben insbesondere ein höherer Automatisierungsgrad und erweiterte Möglichkeiten in der Szenarienplanung eine zentrale Rolle gespielt. Diese Weiterentwicklungen ermöglichen es uns, Szenarien deutlich schneller durchzuspielen, Forecasts dynamisch anzupassen und Abweichungen zeitnah zu analysieren.
- Wenn du nach vorn schaust: Welche Herausforderungen siehst du in den nächsten Jahren für die Vertriebsplanung bei badenova – oder generell für Energieversorger? Das Produktportfolio wird komplexer, neue Marktmodelle kommen durch den Smart-Meter-Rollout ins Spiel, Elektromobilität und neue Geschäftsmodelle entstehen. Was davon wird aus deiner Sicht besonders relevant für die Planung?
Antwort: Der Blick nach vorn zeigt ganz klar: Die Herausforderungen für die Vertriebsplanung werden in den kommenden Jahren nicht weniger – im Gegenteil. Die zunehmende Komplexität durch technologische Entwicklungen und regulatorische Veränderungen stellt Energieversorger vor völlig neue Anforderungen. Der Smart-Meter-Rollout etwa bringt nicht nur Transparenz, sondern erzeugt auch riesige Datenmengen, die sinnvoll verarbeitet und interpretiert werden müssen, um daraus tragfähige Planungsgrundlagen zu schaffen.
Ein besonders spannender Aspekt sind die dynamischen Tarife, die durch die Smart Meter überhaupt erst möglich werden. Sie erfordern eine völlig neue Herangehensweise an Planung und Prognose, denn Preisgestaltung und Kundenverhalten werden deutlich volatiler. Klassische Modelle stoßen hier schnell an ihre Grenzen – agile, datengetriebene Ansätze gewinnen an Bedeutung.
Hinzu kommt, dass die Grenzen zwischen einzelnen Sparten zunehmend verschwimmen. Das traditionelle Denken in getrennten Geschäftsfeldern – etwa Strom, Gas, Wärme – wird sich auflösen. Erdgas wird perspektivisch an Bedeutung verlieren, dafür gewinnen neue Felder wie Wasserstoff oder energienahe Dienstleistungen an Gewicht. Gerade im Vertrieb eröffnet das neue Chancen, etwa durch die Kombination von Stromprodukten mit Energiedienstleistungen zu attraktiven Bundle-Angeboten.
All das bedeutet: Vertriebsplanung muss künftig nicht nur integrierter, sondern auch deutlich flexibler und innovationsgetriebener gedacht werden. Es reicht nicht mehr, bestehende Prozesse zu optimieren – wir müssen an vielen Stellen Planungslogiken auch nochmal neu definieren, um der Dynamik des Marktes gerecht zu werden.
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- Technisch wird die Welt ja auch nicht gerade einfacher: Die Datenlandschaften werden immer heterogener und die Anwendungen liegen heute teils in der Cloud, teils noch On-Premise. Ihr seid bei badenova ja auch Teil der Thüga Abrechnungsplattform (TAP) – da kommt einiges an Dynamik zusammen. Gleichzeitig habt ihr euch bewusst für eine Planungsarchitektur auf Basis eures BW/4HANA mit BPC Embedded entschieden. Wo siehst du aus heutiger Sicht – und mit Blick nach vorn – die größten Herausforderungen auf der IT-Seite?
Antwort: Technisch wird die Welt tatsächlich immer komplexer, und die zunehmende Heterogenität der Datenlandschaften stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Die Entscheidung für eine Planungsarchitektur auf Basis von BW/4HANA mit BPC Embedded war bewusst und strategisch, um eine solide Grundlage für zukünftige Entwicklungen zu schaffen. Es zeigt sich jedoch, dass die aktuell von SAP angebotenen Cloud-Produkte noch nicht featuregleich mit dem On-Premise BPC Embedded sind und ein Umstieg für uns daher noch nicht möglich ist.
Hinsichtlich der Heterogenität der IT-Landschaft besteht eine der größten Herausforderungen darin, die Integration und Interoperabilität zwischen den verschiedenen Systemen sicherzustellen. Anwendungen, die teils in der Cloud und teils On-Premise betrieben werden, erfordern eine nahtlose Kommunikation und Datenkonsistenz. Zudem müssen Sicherheitsaspekte und Compliance-Anforderungen kontinuierlich überwacht und angepasst werden.
Generell beobachten wir die Entwicklungen der Cloud-Produkte mit Spannung, um einen für uns geeigneten Umstiegszeitpunkt zu erkennen.
- Ist aus deiner Sicht die Nutzung von KI der nächste logische Schritt in der Weiterentwicklung eurer Planung bei badenova? Was würdest du dir konkret davon erhoffen?
Antwort: Ich bin davon überzeugt, dass KI der Schlüssel zu einer zukunftsfähigen Planung ist – insbesondere, wenn man die zunehmende Komplexität unserer Arbeit betrachtet, die wir ja bereits bei den vorigen Themen angesprochen haben. Aktuell ist es noch ein wenig abstrakt, sich vorzustellen, wie KI konkret eingesetzt werden kann, weil die Entwicklung so rasant voranschreitet.
Wenn ich mir konkrete Vorteile erhoffe, dann vor allem schnellere und präzisere Prognosen. In einem dynamischen Marktumfeld sind verlässliche Planungszahlen entscheidend, und hier könnte KI uns enorme Zeit- und Effizienzgewinne bringen. Ein weiterer wichtiger Punkt für mich wäre die Unterstützung bei der Eingabe von Planungsprämissen. Künstliche Intelligenz könnte Zusammenhänge automatisch analysieren und relevante Handlungsempfehlungen ableiten, um fundierte Entscheidungen schneller treffen zu können.
Besonders spannend finde ich auch den potenziellen Zugang zur Planung über natürliche Sprache. Anstatt durch unzählige Excel-Tabellen zu scrollen oder komplexe Filterfunktionen zu bedienen, könnte es in der Zukunft möglich sein, einfach eine Frage zu stellen und sofort eine präzise Antwort zu bekommen. Das würde die Planung für uns Anwender nicht nur erheblich vereinfachen, sondern auch die gesamte Prozessgeschwindigkeit enorm steigern.
- Eure Planungslösung ist im Rahmen einer langjährigen Zusammenarbeit entstanden und stetig weiterentwickelt worden. Was war dir in der Zusammenarbeit besonders wichtig und welchen Beitrag kann aus deiner Sicht ein externer IT-Dienstleister wie die NextLytics AG leisten, damit so eine Planungslösung ein funktionierendes Instrument im Tagesgeschäft wird?
Antwort: Für mich ist eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe das zentrale Element einer erfolgreichen Entwicklung. Über viele Jahre hinweg hat sich gezeigt, wie wertvoll es ist, wenn der IT-Dienstleister nicht nur über tiefgehendes technisches Know-how verfügt, sondern auch unsere fachlichen Anforderungen genau versteht und aktiv mitdenkt.
Ein idealer Partner bringt nicht nur fundierte Branchenkenntnisse im Energiesektor mit, sondern auch Impulse und Best Practices aus anderen Industrien. Das erweitert den Horizont und fördert innovative Lösungsansätze, von denen wir direkt profitieren.
Darüber hinaus spielt die Flexibilität eine entscheidende Rolle. In einem dynamischen Umfeld wie unserem entstehen oft kurzfristig neue Anforderungen oder Herausforderungen. Ein externer Dienstleister, der schnell reagiert, flexibel agiert und proaktiv kreative Ideen einbringt, ist daher ein echter Gewinn.
Diese Kombination aus technischer Expertise, Branchenverständnis, Offenheit und Flexibilität bildet für mich die Grundlage, damit eine Zusammenarbeit nicht nur funktioniert, sondern echten Mehrwert schafft. So wie das bei unserer Planungslösung der Fall ist.
Vertriebsplanung für Energieversorger: Unser Fazit
Für Energieversorger bedeutet Vertriebsplanung weit mehr als reine Umsatzziele – sie schafft Transparenz bei Kosten und Margen, unterstützt agile Entscheidungen und stärkt die Widerstandsfähigkeit in volatilen Märkten.
Moderne Lösungen konsolidieren komplexe Daten, ermöglichen flexible Prognosen und passen sich neuen Herausforderungen wie Smart Metern und E-Mobilität an.
Ein erfahrener IT-Consulting-Partner wie NextLytics AG hilft dabei, eine solide Datenbasis aufzubauen, integrierte Planung umzusetzen und Best Practices einzubringen.
So wird die Vertriebsplanung zu einem strategischen Instrument für Effizienz, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.
Haben Sie Fragen zu diesem oder einem anderen Thema? Dann nehmen Sie einfach Kontakt mit uns auf – wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!